Orientalischer Tanz

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Orientalischer Tanz mit seinen Rhythmen, Musik, Kostümen und Stilrichtungen jedes einzelnen seiner Länder, ist so facettenreich wie die Ornamente islamischer Architektur. Um all dies zu erlernen und dann auch noch die dazugehörigen Schritt- und Bewegungsfolgen bedarf es eines langjährigen Trainings. Alles sieht auf den ersten Blick so einfach aus – es gehört jedoch eine große Körperbeherrschung dazu, die Isolation verschiedener Körperregionen auszuführen und dann auch noch ausdrucksstark zu tanzen.
Der Orientalische Tanz hat in den letzten Jahren auch in unserer Region immer mehr Freunde gefunden. Ich meine hier absichtlich Orientalischer Tanz und nicht „Bauchtanz“, da dies eigentlich eine falsche Beschreibung der Tanzart ist. Es wird nicht mit dem Bauch getanzt, sondern mit der Hüfte, den Armen, eigentlich dem ganzen Körper.
Seit der Kolonialzeit im 19. Jahrhundert ist der Name „Bauchtanz“ bekannt – und zwar deshalb, da diejenigen, die diese Tänzerinnen kennen lernten, wohl von den Zitterbewegungen der Tänzerinnen, welche die ganze Körpermitte zum Beben bringen, beeindruckt waren. Inzwischen hat „Bauchtanz“ einen negativen Beigeschmack bekommen. Er wird von vielen gleichgesetzt mit Anmachtanz – mit dem Motto: Hauptsache den Männern macht es Spaß. Dies ist jedoch ein Trugschluss. Die Geschichte des Tanzes zeigt, dass es sich vielmehr ehemals um einen Tanz handelte, der von Frauen für Frauen (z.B. bei Initiation = Aufnahme in eine Gruppe oder Geburt) getanzt wurde.
Später tanzten nicht-moslimische Frauen, meist Zigeunerinnen, auf der Straße und verdienten sich so ihren Lebensunterhalt. Die sittsamen Frauen, denen es verboten war, sich so in der Öffentlichkeit zu zeigen, tanzen miteinander und füreinander in ihren abgeschlossenen Räumlichkeiten. Für sie war es eine der wenigen Vergnügungen, denen sie damals nachgehen konnten.Leider erleben wir es heute immer wieder in den Ursprungsländern dieses Tanzes, dass er zur Anmache missbraucht wird. Die Tänzerinnen fügen sich den Anordnungen ihrer Chefs, die glauben, dass die Touristen diese Art des Tanzes gut finden. Urlauber werden zum großen Teil erstmals mit dieser Tanzform konfrontiert und glauben dann, das ist Orientalischer Tanz.
Genau das ist der springende Punkt. Orientalischer Tanz (er umfasst eben nicht nur das, was wir unter „Bauchtanz“ verstehen, sondern auch alle Folklorestile der unterschiedlichsten orientalischen Länder) ist eine Kunstform, die auch entsprechend getanzt werden sollte.
Es ist außerdem eine sehr persönliche Tanzkunst, da die Tänzerin während ihres Tanzes viel von ihrer Persönlichkeit einbringt. Er ist außerdem ein Stück Kulturgut des Orients und auch bestens geeignet, fremde Kulturen sich näher kommen zu lassen. Durch die tänzerische Basis werden Hemmschwellen, z.B. sprachlicher Natur, abgebaut. Tanz ist oft Sprache genug.
Die Gründe, warum die Frauen mit dem Orientalischen Tanz beginnen, sind sehr unterschiedlich. Es ist egal wie alt, groß, dick oder dünn jemand ist, wir tanzen, weil wir Freude an diesen urweiblichen Bewegungen finden. Aber auch ein wenig der Hauch von 1001-nacht, mit Glitter und Glitzer in eine andere Rolle schlüpfen und so dem oft grauen Alltag entfliehen zu können, fasziniert viele Frauen.
Die meisten Schülerinnen tanzen nur für sich selbst und höchstens einmal für ihre Freundinnen – an Auftritte denken die wenigsten. Und dies ist auch die eigentliche Intention des Orientalischen Tanzes: Tanzen für sich selbst oder für und mit Freundinnen und – vor allem Spaß haben.
Wir brauchen keinen männlichen Partner und wir können unsere Weiblichkeit neu entdecken und mit den Tanzbewegungen unseren Körper besser kennen lernen. Körper, Geist und Seele werden angesprochen und dieser Tanz wirkt therapeutisch in körperlicher sowohl auch seelischer Beziehung. Körperliche Beschwerden, wie z.B. Rückenprobleme, werden gelindert und in vielen Fällen wird diese Tanzform auch tatsächlich zu Therapiezwecken eingesetzt. Auch bei der Schwangerschaftsvorbereitung hat er sich sehr bewährt und wird immer mehr anerkannt (was auch verständlich ist, war er ja ursprünglich ein Geburtstanz).
Morocco, eine amerikanische Tänzerin, fragte während einer Geburt in Marokko einmal ihre Freundin, ob die Bewegung, die sich machte noch Tanz seien oder natürliche. Diese antwortete: „Wir imitieren die natürlichen Bewegungen. In gewisser Weise haben wir die Gebärende hypnotisiert, so dass sie gar nicht anders konnte. Diese schönen sanften Schwingungen also waren die natürlichen Bewegungen von Wehen und Geburt, die uns unsere Gesellschaft durch religiöse Propaganda und medizinische Manöver längst ausgetrieben haben!“
Auch der Beckenboden wird in unsere Gesellschaft vollkommen vernachlässigt, kaum eine Frau kennt diese Muskulatur vor der Schwangerschaft und weiß auch nicht wie sie ihn trainieren kann. In Schwangerschaftsgymnastikkursen wird dies zwar gezeigt, aber sie beginnen leider viel zu spät.
Die orientalischen Frauen habe uns in dieser Beziehung viel voraus. Die Techniken des Orientalischen Tanzes vermitteln ein sehr gutes Körpergefühl, die Muskulatur wird gestärkt, sie kann aber auch, durch Isolation, teils angespannt, teils entspannt werden. Die Wellenbewegungen der Bauchrolle und Beckenwelle entsprechen denen der Übungen, die zur Entspannung und Dehnung während einer Wehe eingesetzt werden sollten. Jeder Muskel sollte kontrolliert werden können, die Bewegungen weich, sanft und rund sein. All dies sind Bewegungen, die Frauen durch den Orientalischen Tanz erlernen können.
Auch Fitness ist für einige Frauen die Grundmotivation mit dem Orientalischen Tanz zu beginnen. Denn es steht außer Frage, der gesamte Torso wird durchgearbeitet, Muskeln beansprucht, die sonst brach liegen, Gelenke werden beweglicher und Kondition wird aufgebaut. Abnehmen werden zwar die wenigsten, der Körper wird allerdings gestrafft, gut durchgearbeitet und Pölsterchen verteilen sich optimaler.
Jede/r kann nach einiger Zeit feststellen, dass der Körper und auch die Körperhaltung sich verändert haben. Gerade eine gesunde Körperhaltung, die man sich durch den Tanz aneignet, ist das A&O für Muskeln und Gelenke. Da die Tanzgrundhaltung immer leicht gebeugte Knie voraussetzt, kann die Energie im Körper besser fließen. Die Muskeln werden straffer, besonders an den Beinen und dem Gesäß; die Armarbeit festigt Bizeps und Trizeps und auch die Brustmuskulatur wird beansprucht.
Der Körper wird wesentlich besser durchblutet, der Kreislauf in Schwung gebracht und Menstruationsbeschwerden verschwinden oder es tritt zumindest eine Erleichterung ein. Auch Rückenprobleme, die durch eine Schwäche der Rückenmuskulatur verursacht werden, bessern sich bei regelmäßigem Training, da ja die gesamte Wirbelsäule „bearbeitet“ wird. Mit einigen Tanzbewegungen /z.B. der Arme und/oder des Brustkorbes) kann man sogar dem verbreiteten HWS-Syndrom (Beschwerden im Hals-Wirbelsäulen-Brustbereich) zu Leibe rücken.
Auch in Dr. Gerhards Gesundheitsmagazin wurde über Bauchtanz und Gesundheit berichtete, der Bundesverband war hier vertreten durch Jojo Heitkamp.
Obwohl dieser Tanz gegen viele Klischees zu kämpfen hat, ist er doch auch in Deutschland zu einer Kunstform gewachsen, die immer mehr öffentliche Anerkennung findet. Hierzu hat auch der Bundesverband für Orientalischen Tanz (www.bv-orienttanz.de) entscheidend beigetragen.
Um den vielen Freund/inn/en des Orientalischen Tanzes ein Forum zu schaffen, das er ermöglichen sollte, bundesweit miteinander zu arbeiten, sich gegenseitig zu unterstützen und Informationen gemeinsam nutzen zu können, wurde im Mai 1994 der Bundesverband für Orientalischen Tanz gegründet. Dieser Verband sollte jedoch nicht nur die Interessen der Profis und Dozent/inn/en vertreten, sondern sich auch um die Belange aller Tanzinteressierten kümmern – ausgerichtet an den Bedürfnissen der Mitglieder. Er hat inzwischen über 1.000 Mitglieder und veranstaltet 2x im Jahr einen Kongress. Hier wird Fortbildung in form von Workshops und Vorträgen angeboten.